Die Methode
Sie sensibilisiert für empathische Mitmenschlichkeit und ein Gewahrsein der „Prosa der Welt“ (Merleau-Ponty), der Schönheit der Natur, und eröffnet eine „Freude am Lebendigen“ (Petzold).
Integrative Poesietherapie und Bibliotherapie
Die „Integrative Poesietherapie und Bibliotherapie“ nutzt als agogisch/kreativtherapeutische Methode die Heilkraft der gestalteten Sprache und heilsamer Texte und ihr schöpferisches Potential als therapeutische Wege in der Arbeit mit Patientinnen, aber auch als hervorragende Wege der Persönlichkeitsbildung von Klientinnen zur Förderung von Kreativität, Gesundheit und Lebenskompetenz. Diese Förderung erfolgt durch integrative, poesie-therapeutisch gestützte Beratung, Weiterbildung und Kompetenztraining.
Poesietherapie nutzt als „aktiv-produktive“ Modalität in der agogisch-therapeutischen Arbeit mit Menschen „kreatives Schreiben“ und „intermediales Gestalten“. Bibliotherapie (von griech. biblos, Buch) verwendet als „rezeptive“ Modalität die Lektüre von literarischen Texten als „Pharmakon“ (Heilmittel). Beide Modalitäten greifen auf die anthropologische Verfasstheit des Menschen als narratives, sprechendes und erzählendes Wesen zurück und können je für sich oder kombiniert in Schreibwerkstätten, klinischen Einrichtungen der Therapie und Rehabilitation, Beratungssettings, in Projekten der Biographiearbeit und in der freien Praxis eingesetzt werden. Sie wirken durch das Medium künstlerisch-gestalteter Sprache in Prozessen, die seelische Integration und persönliches Wachstums in Gang setzen und unterstützen. (In Österreich gelten die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen des Heilkunde- und Beratungsgesetzes.)
Die Methode wird seit 50 Jahren an der Europäischen Akademie EAG gelehrt. Sie wurde Anfang der 70er Jahren von Ilse Orth und Hilarion Petzold aufgrund amerikanischer und französischer Quellen nach Deutschland gebracht und auch unter Rückgriff auf deutsche Traditionen poesietherapeutischer Arbeit (J. W. von Goethe, Johann Christian Reil, Hilde Domin, Irma Petzold-Heinz u.a.) mit ihren MitarbeiterInnen zu einem eigenen Ansatz weiterentwickelt: der „Integrativen Poesie- und Bibliotherapie“, die Vertiefungsschwerpunkte im Bereich der Biographiearbeit, der Märchentherapie und des kreativen Schreibens als intermedialer Praxis erarbeitet hat. Heute ist die Poesie- und Bibliotherapie eine Form der künstlerischen Therapien bzw. Kreativtherapien wie die Musik-, Tanz- oder bildnerische Kunsttherapie.
Poesietherapie im Integrativen Ansatz kann zur Beratung bei der Bewältigung von Lebenskrisen, der Unterstützung bei Behandlungen psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, in der Förderung von Gesundheit, Kreativität, humanem und ökologischem Bewusstsein eingesetzt werden. Sie sensibilisiert für empathische Mitmenschlichkeit und ein Gewahrsein der „Prosa der Welt“ (Merleau-Ponty), der Schönheit der Natur, und sie eröffnet eine „Freude am Lebendigen“ (Petzold). Sie dient einer vertieften Selbsterfahrung und der Entwicklung und Entfaltung der Potentiale der Persönlichkeit. Menschen bilden in Gemeinschaften vielfältigen sprachlichen Gestaltens, im polylogischen Austausch von Gesprächs- und Erzählgemeinschaften, eine „narrative Identität“ (Ricoeur).
Berufliche Einsatzfelder der IPBT
Die Heilkraft und das Entwicklungspotenzial der Sprache und des Schreibens im Rahmen der Poesie-, Biblio-/Lesetherapie können in verschiedenen Arbeitsfeldern und Berufen, in Psychotherapie, in Rehabilitation, in der Seelsorge, in der Pflege, in der Arbeit mit alten und behinderten Menschen, in der Begleitung Sterbender und Schwerkranker eingesetzt werden, aber auch in Jugendarbeit, Pädagogik, Erwachsenenbildung, psychosozialer Beratung und Lebenshilfe. Selbstverständlich sind in dieser Weiterbildung auch Menschen willkommen, die diese Erfahrung zunächst nur für sich persönlich nutzen wollen.
Es werden theoretische Konzepte, Methoden und Techniken des Ansatzes sowie ihre Umsetzung in der praktischen Arbeit in verschiedenen beruflichen Feldern auf der Grundlage des Verfahrens der „Integrativen Therapie“, einer modernen forschungsgegründeten Form bio-psycho-sozialer Psychotherapie und Kulturarbeit, vermittelt.
Weiterbildung
Die Weiterbildung in Poesietherapie, Biblio- bzw. Lesetherapie, kreativem Schreiben und Biographiearbeit wird modularisiert für unterschiedliche Qualifikationsniveaus und berufliche Zielsetzungen mit spezifischen Abschlüssen für die einzelnen Module angeboten. Die in den Seminarausschreibungen aufgeführten Inhalte sind exemplarisch zu sehen und kommen abhängig vom Gruppenprozess ausgewählt zum Einsatz. Zum gesamten Curriculum gibt es ein theoretisches Leseprogramm, das den TeilnehmerInnen bekanntgegeben wird. Die einzelnen Seminare werden durch eigene Literaturstudien der TeilnehmerInnen nachbereitet.
Curriculum
Das Curriculum „Poesie- und Bibliotherapie“ ist seit 1985 an der EAG durchgeführt worden. Wie alle Veranstaltungen wurde ständig evaluiert und immer wieder theoretisch und konzeptuell auf einen neuen Stand gebracht. Forschung und Theorieentwicklung im klinischen und psychosozialen Bereich, in der Integrativen Therapie, aber auch berufspolitische und heilkunderechtliche Entwicklungen und die Professionalisierungsbestrebungen im kunst- und kreativitätstherapeutischen Feld haben dabei eine Rolle gespielt. Bei den durchweg sehr positiven Evaluationen dieses Curriculums sind aufgrund des Feedbacks der TeilnehmerInnen, aber auch durch die Theoriearbeit des Lehrkörpers und der Absolventen, Erfahrungswerte gewonnen worden, die eine Verbesserung und leichte Neugliederung des Curriculums möglich und erforderlich gemacht haben. Diese haben zu der vorliegenden Neufassung von 2015 (Aktualisierungen im Januar 2017) geführt, die mit diesem Jahr Gültigkeit erlangt.
Prof. Dr. mult.
Hilarion G. Petzold
wissenschaftlicher Leiter,
Mitglied des Leitungsgremiums
der Europäischen Akademie EAG
Dipl.-Sup.
Ilse Orth, MSc,
Mitbegründerin der
Integrativen Poesietherapie,
Mitglied des Leitungsgremiums
der Europäischen Akademie EAG